Ein ungewöhnliches Jahr in Aachen

Text: Sylvia Carola Schuster/ Fotos: Sylvia Carola Schuster, Tiemo Benjamin Esser

Ein ungewöhnliches Jahr in Aachen

Veröffentlicht von , 17. Juni 2021

Text: Sylvia Carola Schuster/ Fotos: Sylvia Carola Schuster, Tiemo Benjamin Esser

Rund 30 Jahre wurde in Aachen eine Verlängerung der Start- und Landebahn des Flugplatzes Merzbrück diskutiert. Bislang mussten sich die Flieger in Aachen mit gut 500 Metern Bahnlänge zufriedengeben – genug für kleinere Motor- und Segelflieger, allerdings nicht für den Flugbetrieb mit Winde geeignet. Mit vier Millionen Euro förderte Nordrhein-Westfalen den Um- und Ausbau des Verkehrslandeplatzes Aachen-Merzbrück. Baubeginn der nun 1160 Meter langen Bahn war im September 2019, die Aachener Segelflieger flogen eineinhalb Jahre an anderen Plätzen und dürfen nun an „ihren Flugplatz“ zurückkehren.

Das Jahr 2020 war für uns alle ein ganz spezielles Jahr – mit vielen neuen und ungewohnten Herausforderungen. In Aachen stellte sich schon weit vor Beginn der Segelflugsaison die Frage, wo und wie wir in den nächsten Monaten in die Luft kommen würden. Die Herausforderung dabei: Mit insgesamt vier Aachener Segelflugvereinen am Platz ist hier eine große Zahl an Segelflugzeugen stationiert. Als Landesleitungsstützpunkt beherbergt das „Segelflugzentrum Aachen“ viele leistungsorientierte Streckenflieger, einige Kunstflieger und natürlich Nachwuchspiloten in der Ausbildung.

Ausbildungskooperation mit zwei Flugplätzen

Dank einer Kooperationsvereinbarung schulen wir mit vier Vereinen gemeinsam auf zwei Flugplätzen. Flugschüler, Fluglehrer und Flugzeuge aus Aachen sind regelmäßig auf dem Flugplatz „Bergstein“ in der Nordeifel anzutreffen, wo uns der LSV Düren-Hürtgenwald e. V. jederzeit in den Windenbetrieb einbindet. Und das klappt super – dank abgestimmter Dienstpläne und der Bereitschaft vieler Mitglieder aller Vereine, sich auch am jeweils anderen Flugplatz zu engagieren.

Für die Zeit der Umbauarbeiten in Aachen (die natürlich viel länger andauern als ursprünglich geplant) bot uns der Dürener Verein eine vollständige Verlagerung des Schulbetriebs auf ihren Flugplatz an, als wäre es selbstverständlich. Während in Aachen im F-Schlepp auf ebener Graspiste in städtischem Umfeld gestartet wurde, wird in Düren überwiegend an der Winde gestartet. Die längere Anfahrt wird durch die abwechslungsreiche Landschaft wettgemacht. Der nahegelegene Rursee, Bahnneigung, Waldkanten, das mittelgebirgstypische Gelände, aber auch die früher einsetzende Thermik bieten für Flugschüler und Scheinpiloten ganz neue Eindrücke und Erfahrungen. Auch wenn die eigene fliegerische Heimat gerade fehlt, gibt es doch tolle Alternativen.

Aachener Segelflugnomaden werden herzlich empfangen

Die streckenflugaffinen Piloten zog es hingegen auf die Dahlemer Binz und nach Leverkusen, wo auch unter der Woche regelmäßig Flugbetrieb organisiert wird. Durch vergangene Vergleichsfliegen in Leverkusen und den traditionsreichen EuregioCup in Aachen kannten sich bereits viele Piloten untereinander. Wie selbstverständlich wurden wir auch hier herzlich aufgenommen und durften – soweit es die Pandemie zuließ – am Flugbetrieb teilnehmen.

Auf allen Flugplätzen wurden wir als Piloten empfangen – nicht als Fremde oder Gäste. Wir mussten uns nicht hintenanstellen, wenn es um den morgendlichen Start ging, wir sind zu üblichen Vereinskonditionen geschleppt worden und haben keine zusätzlichen Rechnungen für das Abstellen der Flugzeuge bekommen. Beim Sonnenaufgangsfliegen in Düren wurden wir mit Frühstück versorgt, durften die ersten Sonnenstrahlen im Cockpit einfangen und haben in den Medien gemeinsam von unserem großartigen Sport berichtet. Sogar der fliegerische Teil des integrativen Jugendcamps, einer sonst in Merzbrück stattfindenden Veranstaltung, wurde kurzerhand in die Eifel verlagert.

Und was heißt das für die Zukunft?

Der neue „Forschungsflugplatz Aachen-Merzbrück“ wurde bereits im September 2020 von Verkehrsminister Hendrik Wüst eröffnet. Die Segelbetriebsflächen wurden am 21. Mai 2021 freigegeben. Wir freuen uns über die Genehmigung der neuen Betriebsordnung, die Windenstarts und die Nutzung der neuen Segelflugpiste ermöglicht. Unsere Kooperation aus vier Vereinen ist im letzten Jahr deutlich enger zusammengewachsen, dennoch freuen wir uns auch auf eine Saison, in der wir wieder als Verein an unserem „eigenen Flugplatz“ fliegen dürfen. Uns ist bewusst, dass alle Vereine, deren Infrastruktur wir 2020 genutzt haben, dafür Einschränkungen in Kauf genommen haben – Schüler haben auf Starts verzichtet, viele Mitglieder haben viel Zeit in organisatorische und administrative Tätigkeiten gesteckt.

In Aachen haben wir dank verlängerter Bahn und neu angeschaffter Elektrowinde nun die Möglichkeit, Windenstarts durchzuführen und somit auch die Anfängerausbildung attraktiver zu gestalten. Wir haben die Hoffnung, so auch mehr jüngere Mitglieder zu gewinnen, an denen es uns in den letzten Jahren im Luftsportverein Aachen gefehlt hat.

Danksagung

Auf diesem Wege möchten wir uns im Namen aller Aachener Segelflieger ganz herzlich für die Unterstützung in den letzten Jahren bedanken – durch Politik, Kommunen, Verbände, Flugplatzbetreiber, Vereine und jeden Einzelnen, der das Vorhaben „Bahnverlängerung“ vorangetrieben hat oder uns in den letzten Monaten die Möglichkeit gegeben hat, unserem traumhaften Hobby nachzugehen.

Aachen Merzbrück mit der alten Bahn und der im Bau befindlichen neuen Bahn, Blick von Westen
Flugplatzumgebung Düren-Hürtgenwald, Flugzeug (Ka 6) der Segelfliegergruppe Nordstern und Pilotin des Luftsportvereins Aachen Sylvia Carola Schuster
Ganz neue Tätigkeit in Aachen: Vorseile für die Winde herstellen
Die neue Elektrowinde wird für ihren ersten Einsatz bereit gemacht. Auf dem Foto Mitglieder des Luftsportvereins Aachen e.V., der Flugwissenschaftlichen Vereinigung Aachen e.V. und des LSV Düren-Hürtgenwald e.V.